Der 90-jährige ehem. französische Zwangsarbeiter, René Marbouty, besuchte den KZ-Gedenkverein und damit erstmals nach 67 Jahren wieder Österreich.
Besonderen Besuch empfing am 6. Mai 2012 der Guntramsdorfer KZ-Gedenkverein, der seit vielen Jahren mit einer Gedenkstätte an die Opfer der KZ-Außenlager in Guntramsdorf und Wiener Neudorf erinnert und regelmäßig Führungen am ehemaligen KZ-Gelände in der Guntramsdorfer Industriestraße durchführt. Mit dem 90-jährigen René Marbouty, aus Bordeaux, Frankreich, besuchte erstmals ein ehemaliger Zwangsarbeiter der „Flugmotorenwerke Ostmark“ jenen Ort wieder, an dem er zwischen1943 und 1945 gemeinsam mit ca. 18.000 Kriegsgefangenen und über 3.000 KZ-Häftlingen unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten musste. Mit Hilfe seiner Enkelkinder erfuhr er via Internet über die Arbeit des Gedenkvereins (www.gedenkverein.at) und nahm mit dem Vorsitzenden, Jürgen Gangoly, Kontakt auf, da er den Wunsch hatte, trotz seines hohen Alters, noch einmal nach Guntramsdorf und Wiener Neudorf zurückzukommen. Gangoly: „Die Begegnung und die Erzählungen von René Marbouty und seiner Familie waren sehr ergreifend und haben gezeigt, wie wichtig für die Opfer und deren Nachfahren unsere Gedenkarbeit und der Informationsaustausch ist.“ Marbouty hat dem Gedenkverein einen wahren Schatz aus Frankreich mitgebracht. Neben seinem Lagerausweis und den original Lebensmittelkarten, brachte er auch zahlreiche Fotos aus dem Zwangsarbeiterlager mit, wovon es bisher keine Bilder gab. Außerdem konnten durch sein Detailwissen einige der noch bestehenden Grundmauern und anderen Reste des Zwangarbeiterlagers und das KZ besser zugeordnet werden und neue Fakten für die Arbeit des Gedenkvereins gesammelt werden. Gangoly: „Schön war aber auch, dass René Marbouty, neben furchtbaren persönlichen Erinnerungen an Morde und Misshandlungen im Flugmotorenwerk, auch so manche Anekdote erzählte, die zum Schmunzeln einlud: Etwa, wie die Häftlinge gemeinsam verhinderten, dass die in Wiener Neudorf produzierten Flugzeugmotoren jemals tatsächlich flogen und noch mehr Unheil anrichteten.“ Nach mehreren Interviews und der Führung am ehemaligen KZ-Gelände, an der Kultur-Gemeinderat Josef Koppensteiner als Vertreter des Guntramsdorfer Rathauses teilnahm, lud die Marktgemeinde Guntramsdorf die Gäste aus Frankreich zum gemeinsamen Mittagessen ein. Trotz vollem Terminkalender, stattete die aus Guntramsdorf stammende Bundesministerin, Gabriele Heinisch-Hosek, der Delegation ebenfalls einen Besuch ab und unterhielt sich lange mit dem Gast aus Frankreich. Heinisch-Hosek war von der Vitalität und der Lebensfreunde, die Marbouty trotz seines hohen Alters ausstrahlte, beeindruckt und dankte ihm, für den Mut und die Offenheit, gemeinsam mit seinen Enkeln, diesen sicher nicht ganz leichten Besuch anzutreten. Für Marbouty war es erst der zweite Flug in seinem Leben. Der erste führte ihn nach Kriegsende im Oktober 1945 in einer russischen Militärmaschine zurück nach Frankreich und der Zweite nun, 67 Jahre (!) später, gemeinsam mit seiner Frau und Enkelkindern wieder zurück nach Österreich. „Diesmal werde ich Österreich, Guntramsdorf und Wiener Neudorf aber in weitaus besserer Erinnerung behalten“, sagte ein sichtlich ergriffener und dankbarer René Marbouty am Ende eines für alle Beteiligten höchst eindrucksvollen Tages.