Geschichte
Das KZ-Nebenlager wurde am 2. August 1943 unter dem Namen „KL Wiener Neudorf“ gegründet und war eines von circa 50 Nebenlagern des KZ Mauthausen. Es lag großteils auf dem heutigen Gemeindegebiet von Guntramsdorf.
Das ca. zwei Hektar große Konzentrationslager umfasste laut aktuellem Wissensstand 22 Wohnbaracken, zwei Krankenbaracken, sechs Waschräume, WC-Baracken, Lagerschreibstube, Küche und Werkstätte. Es war mit Stacheldraht und einem elektrisch geladenen Zaun umgeben und durch Wachtürme bewacht. Das nördlich davon angeordnete SS-Lager bestand aus insgesamt 6 Baracken und hatte eine Fläche von zirka 14.000 Quadratmetern. In der folgenden 3D Animation wird das KZ-Gelände dargestellt.

Das KZ Guntramsdorf / Wiener Neudorf wurde 1943 auf dem Gelände eines von fünf bereits seit 1941 bestehenden, riesigen Bau- und Zwangsarbeiterlagern der „Flugmotorenwerke Ostmark„ errichtet.
Mit zusätzlichen Arbeitskräften aus dem KZ Mauthausen sollte der schleppend verlaufende Aufbau und später die Produktion der Flugmotorenwerkebeschleunigt werden. Aus Mauthausen wurden daher vor allem Häftlinge, die über Erfahrung in der Metallverarbeitung und mit Bauarbeiten besaßen, angefordert.
Der kommissarische Werksleiter der Flugmotorenwerke, Georg Meindl, nutzte seine ausgezeichneten Beziehungen zu Reichsmarschall Hermann Göring und zur SS. Meindl schrieb am 14. Juli 1943 direkt an den Reichsführer-SS Heinrich Himmler:
„Ich habe Ihnen anläßlich der Zusammenkunft am Flugfeld in Graz berichtet, daß der Herr Reichsmarschall mich direkt beauftragt hat, die Flugmotorenwerke in Wiener Neudorf………, in allerkürzester Zeit zum Anlauf zu bringen……Die allergrößten Schwierigkeiten bestehen auf der Seite des Arbeitseinsatzes. Ich bitte Sie daher, Reichsführer, zu genehmigen, daß per sofort in Wiener Neudorf ein Außenlager des KL Mauthausen erstellt wird, mit einer Belegstärke von ca. 2.000 Mann, … Für den Aufbau des Lagers steht ein Bauarbeiterlager als Grundstock zur Verfügung, das in Wiener Neudorf direkt neben dem Werk liegt, und das in kürzester Frist als KL installiert werden kann. „
Tatsächlich wurden danach bis zu 3.170 KZ-Häftlinge (Höchststand Sept. 1944) aus Mauthausen zwischen 1943 und 1945 in den Flugmotorenwerken, den Firmen Steyr-Daimler-Puch AG, Rella & Co., Hofman und Maculan, Himmelstoß und Sittner, Ing. Czernilowski und Saurerwerke Zehethofer sowie in kleineren Betrieben und der Landwirtschaft in den Gemeinden Inzersdorf, Himberg, Schwechat, Guntramsdorf, Laxenburg, Fischamend und Wien als Zwangsarbeiter eingesetzt.


Trotz des enormen Einsatzes von Arbeitskräften und Material – insgesamt sollten bis zu 20.000 Arbeiter direkt oder indirekt für die Flugmotorenwerke arbeiten–, war das gesamte Unternehmen nicht nur menschlich sondern auch wirtschaftlich ein Desaster.
Statt wie geplant bis zu 1.200 Motoren pro Monat wurde zum Höchststand eine Produktion von gerade 365 Stück im April 1944 erreicht. Diese Zahl sank bis August 1944 auf 120 Motoren, im September auf 98, im Dezember auf 77. Im Frühjahr 1945 kam die Produktion gänzlich zum Erliegen.
Insgesamt wurden von den Flugmotorenwerken Ostmark, dem kostspieligsten Rüstungsprojekt der NS-Zeit, nur zirka 3.000 Motoren gefertigt. Die Flugmotorenwerke wurden nach dem Krieg von Wirtschaftswissenschaftlern als die größte Fehlinvestition der deutschen Kriegswirtschaft bezeichnet. Sie hatten eine Investitionssumme von 350 Millionen Reichsmark verschlungen.
Ab Mai 1944 wurde das Flugmotorenwerk von den Alliierten mehrmals bombardiert. Auch das KZ an der heutigen Guntramsdorfer Industriestraße wurde bei den Bombenangriffen durch insgesamt 14 Bomben getroffen und stark beschädigt.
Die US-Bombenangriffe, die eigentlich den Produktionsanlagen des Werks galten, forderten so auch 31 Opfer im KZ. Unter anderem wurde das Krankenlager des KZ direkt getroffen. Danach wurde das KZ von Guntramsdorf ins benachbarte Wiener Neudorf (Lager Mitterfeld) verlegt.

Luftbild der US Air Force von den
Bombenangriffen auf die Flugmotorenwerke (Bildmitte) in Wiener Neudorf
Im Süden: Neu Guntramsdorf
Im Süd-Westen: Rinke- und Ozean-Teich
Im Zentrum des Bildes: IZ-NÖ Süd/Wiener Neudorf
Das obige Luftbild stammt vom 63. Einsatz der 461st Bombardement Group
(recherchiert von Christian Temper, Wr. Neudorf):
Originaltext:
Target: Wiener Neudorf Aircraft Engine Factory, Austria
The Group continued the use of pathfinder methods with a formation of four flights against the Wiener Neudorf Aircraft Engine Factory in Austria on 16 July. Bombing through an almost complete undercast, the Group missed the target when the bombs fell short and to the right.“
Das so genannte „Neue Lager Wiener Neudorf“ lag östlich von Mödling, auf einem Gelände südlich der heutigen Shopping City Süd (SCS) und nördlich des Ortszentrums von Wiener Neudorf, „Mitterfeld“ genannt.
Die Häftlinge wurden auch regelmäßig zur Behebung von Bombenschäden und zur Bergung von Blindgängern eingesetzt. Im Jahre 1945 wurden die Arbeitskommandos fast gänzlich aufgelöst und die Häftlinge beim Luftkriegseinsatz in Wien und Schwechat beschäftigt.
Am 2. April 1945 wurde schließlich auch das neue KZ-Nebenlager in Wiener Neudorf wegen der bereits herannahenden russischen Truppen geräumt. Die damals noch im Lager befindlichen Gefangenen mussten, trotz ihres schlechten körperlichen Zustandes, bei der „Evakuierung“ von Wr. Neudorf zu Fuß zurück ins über 180 Kilometer entfernte KZ Mauthausen marschieren.
Es war ein Todesmarsch: die Lagerwache erschoss noch vor Beginn des so genannten „Evakuierungsmarsches“ am 2. April 1945 38 marschunfähige Häftlinge und trieb die übrigen 1743 Häftlinge 13 Tage zurück Richtung Mauthausen.
146 Menschen wurden bis zur Ankunft in Mauthausen „auf der Flucht erschossen“ – die meisten nur, weil sie dem Tempo der Marschkolonne aufgrund ihres körperlichen Zustandes nicht mehr folgen konnten. Einige Quellen sprechen sogar von bis zu 243 Erschießungen alleine während des Todesmarsches.
Am 14. April 1945 langten die Überlebenden des Todesmarsches im Hauptlager Mauthausen ein, das kurz darauf, am 5. Mai 1945, von amerikanischen Truppen befreit wurde.
Noch knapp vor Kriegsende bargen die Firmen Daimler-Benz und Steyr-Daimler-Puch einen Großteil der Maschinen aus Wiener Neudorf und verlagerten sie z. B. nach Kirchbichl in Tirol.
Die restlichen Maschinen wurden ab Mai 1945 von der sowjetischen Armee demontiert und in die UdSSR transportiert. Die Werkshallen wurden in den Fünfzigerjahren (1950-1952) gesprengt. Das Verwaltungsgebäude war schon am 9. August 1946 einem Brand zum Opfer gefallen.
Der von die riesigen Flugmotorenwerken verbliebene Schutt wurde – wie Zeitzeugen berichteten – in den Nachkriegsjahren von der lokalen Bevölkerung lange Zeit als Baumaterial oder auch als Brennholz verwendet. Heute stehen in Guntramsdorf und Umgebung noch Gebäude, die aus den Baracken der Zwangsarbeiterlager erstellt wurden.
Das weitläufige, heideartig verwilderte Gelände der ehemaligen Flugmotorenwerke Ostmark und die vielen darauf befindlichen Reste von Produktions- und Bunkeranlagen waren jahrelang – bis zu deren Bebauung mit Gewerbe-, Industrie- und neuerdings auch Wohnbauten – ein beliebter „Abenteuerspielplatz“ von Kindern und Jugendlichen aus Guntramsdorf und Umgebung.
Bis in die späten 1980iger-Jahre gab es in diesem Zusammenhang vor Ort regelmäßig – teilweise nicht ungefährliche – Funde von Kriegsrelikten, wie Gewehren, Helmen, Munition, persönlichen Ausrüstungsgegenständen von Soldaten etc.
Das „Flugmotorenwerk“ selbst und auch die fünf riesigen „Arbeitslager“, waren der lokalen Bevölkerung natürlich vor und nach dem Krieg durchaus bekannt. Das sich dort auch ein relativ großes Nebenlager des KZ Mauthausen befand, geben bzw. gaben nur wenige der Zeitzeugen an, gewusst zu haben.
Das KZ-Nebenlager Guntramsdorf/Wiener Neudorf geriet so bis in die frühen 1990iger-Jahre, als die Pfarre Neu-Guntramsdorf erstmals vor Ort mit Recherchen und Zeitzeugenbefragungen begann, weitgehend in Vergessenheit. Die Schaffung einer Gedenkstätte vor Ort und schlussendlich auch die Gründung des neuen Gedenkvereins im Sommer 2005, gehen auf diese ursprüngliche Initiative der Pfarre zurück.
Heute ist ein Großteil des Geländes der ehemaligen Flugmotorenwerke als „Industriezentrum NÖ/Süd“ (EcoPlus) erschlossen und bebaut. Das ca. zwei Hektar Grundstück (siehe folgenden Lageplan) auf dem sich das eigentliche KZ befand, ist jedoch bis dato großteils unverbaut – die Grundmauern der Baracken und vereinzelte Bunkeranlagen sind dort noch erhalten.
Das aus den Flugmotorenwerken entstandene Industriezentrum Niederösterreich Süd ist heute das größte Gewerbegebiet Österreichs. Es erstreckt sich über die Gemeindegebiete von Wiener Neudorf, Guntramsdorf, Biedermannsdorf und Laxenburg. 2005 waren auf dem rund 280 Hektar großen Gelände etwa 250 Unternehmen mit über 10.000 Mitarbeitern ansässig.
Lageplan der „Flugmotorenwerke Ostmark“ in Guntramsdorf/Wr. Neudorf (1943-1945)

Bildquelle : www.turbo.at/geheimprojekte/t_wnost.html
Weitere umfassende Informationen zum KZ Guntramsdorf/Wiener Neudorf (und allen anderen KZ in Österreich) sowie zahlreiche Literaturhinweise finden Sie auf den Webseiten des Mauthausen Memorial (Bereich Außenlager).
Lageralltag
Der grausame Lageralltag, und wie unmenschlich die Häftlinge auch in den Nebenlagern des Konzentrationslagers Mauthausen ausgebeutet und behandelt wurden, wurde von Überlebenden des KZ Guntramsdorf / Wiener Neudorf dokumentiert und kann daher heute genau belegt werden.
Die Häftlinge des KZ Guntramsdorf / Wiener Neudorf waren besonders unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen und vor allem der Willkür der Lagerwache, die aus SS und Luftwaffe bestand, ausgesetzt.
Die medizinische Versorgung war katastrophal, es gab im Lager ständig infektiöse Krankheiten (z.B. offene TBC, Krätze etc.) und viel zu wenige sanitäre Anlagen.
Trotz der Schwerstarbeit, die die Häftlinge verrichten mussten, war die Lebensmittelversorgung des Lagers die meiste Zeit völlig unzureichend und wurde noch dadurch verschlimmert, dass das Wachpersonal und bevorzugte Häftlinge (so gennante Funktionshäftlinge/Capos etc.) Rationen, die für die KZ-Häftlinge gedacht waren, für sich selbst oder den Schwarzmarkt abzweigten.
Ein Beispiel: Laut Aussagen eines SS-Offiziers bestand im Winter 1943/44 der gleichbleibende „Tagesspeisezettel“ pro Häftling in Guntramsdorf aus …
- Morgens: 1/4 Liter Ersatzkaffee (kein Brot)
- Mittags: 1/4 Liter dünne Kürbissuppe
- Abends: 1/25 kg Brot (1 kg Brot aufgeteilt auf 25 Häftlinge = ca. eine Scheibe), 1 Kaffeelöffel Topfen, kein Getränk
Aus dem KZ-Nebenlager Guntramsdorf / Wiener Neudorf sind u. a. jene Protokolle und Dokumente erhalten, die der deutsche Häftlingsarzt Rolf Busch-Waldeck damals selbst verfasst oder an sich genommen hat. Er hat sich zu Kriegsende dem Befehl zur Vernichtung der Unterlagen widersetzt und seine Aufzeichnungen aus dem Lager sowie das Tagebuch des Todesmarsches nach dem Krieg den amerikanischen Kriegsgerichten übergeben.
Willkürliche Morde der Lagerwachen an den Häftlingen standen auch im KZ Guntramsdorf/Wiener Neudorf auf der Tagesordnung. Schon unmittelbar nach der Gründung des Lagers hat die SS-Lagerwache den erste Mord unter der Tarn-Bezeichnung „Erschießung auf der Flucht“ selbst dokumentiert, unzählige weitere folgten in den nächsten Monaten (siehe „Lageralltag„). Nicht mehr arbeitsfähige Häftlinge wurden vor Ort im KZ Guntramsdorf/Wr. Neudorf ermordet, in den Selbstmord getrieben oder zurück nach Mauthausen bzw. in die Gaskammern von Hartheimtransportiert.
Mehr als 200 Morde in Zusammenhang mit dem KZ Guntramsdorf/Wiener Neudorf sind schriftlich dokumentiert. Insgesamt sind mindestens 400 Personen im KZ Guntramsdorf/Wiener Neudorf ums Leben gekommen.Uns liegen dazu neben den Protokollen des Häftlingsarztes Rolf Busch-Waldeck auch zahlreiche SS-Leichenbeschau-Berichte vor. Sie finden Original-Aufzeichnungen Busch-Waldecks, die mit Grundlage für Verurteilungen in den Dachauer Kriegsverbrecherprozessen waren, in der folgenden Tabelle und auch im Kapitel Todesmarsch.)
Anm.: Manche der Waldeck-Protokolle zu den Morden in Wiener Neudorf sind am Ende mit teilweise erklärungsbedürftigen Anmerkungen zu den dazu abgehaltenen bzw. nicht abgehaltenen Prozessen versehen (*siehe unten)
20 Protokolle zu Mordfällen im KZ Guntramsdorf / Wiener Neudorf
Auszug aus dem Protokoll | .pdf zum Mordfall | |
1) | „Proksch, Hans, österreichischer Staatsbürger, 28 Jahre alt, Kaufmann, Wien, ledig, kinderlos, katholisch … wurde gezwungen sich selbst zu erhängen. …“ | Hans Proksch |
2) | „Koslowski, Georg, polnischer Staatsbürger, 18 Jahre alt, Schlosserlehrling, kam mit dem zweiten Transport aus Mauthausen nach Wiener Neudorf … musste einen Wagen ziehen, auf dem ein leerer Sarg stand …“ | Georg Koslowski |
3) | „Rosenträger, Hermann, deutscher Staatsbürger, 24 Jahre alt, Kaufmann, kam 1944 nach Wiener Neudorf. Nach einem Bombenangriff arbeitete Rosenträger als Aufräumungskommando. Der SS-Hundeführer Nitschke fragte ihn, ob er Jude sei. …“ | Hermann Rosenträger |
4) | „Hergesreither, Eugen, deutscher Staatsbürger, 41 Jahre alt, Arbeiter. Hergesreither wurde im Frühjahr 1944 aus unbekannten Gründen von den Blockführern Thunke, Kaldun und Höllriegl und dem Lagerältesten Stindl verprügelt …“ | Eugen Hergesreither |
5) | „Froschauer, Franz, Österreicher, 41 Jahre alt, Landarbeiter. Froschauer, ein schmächtiger, etwas beschränkter, aber sehr gutmütiger Mensch, war, obwohl für diesen Posten absolut ungeeignet, als Hilfscapo eingesetzt. Er wurde von der Lagerprominenz rund um Stindl gerne gehänselt. …“ | Franz Froschauer |
6) | „Jurr, Peter, polnischer Staatsbürger, etwa 25 Jahre alt, Arbeiter. Jurr wurde im Sommer 1994 von dem Blockführer Thunke in das leere SS-Schwimmbassin geworfen. …“ | Peter Jurr |
7) | „Bieber, Johann, polnischer Staatsbürger, 45 Jahre alt, Arbeiter.Rogalewski, Erich, polnischer Staatsbürger, 31 Jahre alt.Kowmowski, Janek, polnischer Staatsbürger, 26 Jahre alt, Masseur. Die drei Polen unternahmen im Mai 1944 einen gemeinsamen Fluchtversuch … durch die Kanalanlage des Häftlingslagers. …“ | Bieber, Rogalewski, Kowmowski |
8) | „Frischeis, Franz, österreichischer Staatsbürger, 32 Jahre alt, Arbeiter … war als Hilfscapo, dann kurze Zeit als Lagercapo und dann als Capo eingesetzt. …“ | Franz Frischeis |
9) | „Karoly, Istvan, angeblich tschechischer, vermutlich aber ungarischer Staatsbürger, etwa 22 Jahre alt, Techniker. …“ | Istvan Karoly |
10) | „Tomcic, Stepan, jugoslawischer Staatsbürger, 19 Jahre alt, Arbeiter. … hat am 3. Oktober 1944 zusammen mit anderen Häftlingen im Häftlingslager Erdäpfelsäcke in den Kartoffelbunker 2 getragen. …“ | Stepan Tomcic |
11) | „Schreiner, Lutz, deutscher Staatsbürger, 25 Jahre alt, Kaufmann. Schreiner war ein auffallend hübscher, hochgewachsener junger Mann, war in Neudorf zuerst als Blockältester auf Block 6 eingesetzt. Er wurde vom Lagerältesten …. eifrig umworben. …“ | Lutz Schreiner |
12) | „Leckebusch, Walter, deutscher Staatsbürger, 48 Jahre alt, Installateur. Leckebusch war ein schwieriger Häftling. Seine Empörung über das KZ und die SS war so groß, dass er immer und überall revoltierte …“ | Walter Leckebusch |
13) | „Mirkovic, Paul, jugoslavischer Staatsbürger, 22 Jahre alt, Landarbeiter … als er sich in Pause zwischen zwei Transportfuhren erschöpft neben dem Transportkarren niedersetzte, schlug der Capo Faas so lange auf ihn ein …“ | Paul Mirkovic |
14) | „Smirtic, Bohuslav, jugoslavischer Staatsangehöriger, 42 Jahre alt, Gärtner. … war im Aussenkommando Relle u. Neffe eingesetzt. Im Oktober 1943 wurde er auf der Arbeitsstelle vom Capo Heckner wegen zu geringer Arbeitsleistung verprügelt und wegen Faulheit zur Bestrafung gemeldet. …“ | Bohuslav Smirtic |
15) | „Potocki, Anton, polnischer Staatsangehöriger, 32 Jahre alt, Landarbeiter … wegen Landesverrates und Spionage … verurteilt. Der SS-Scharführer riss ihm … außerhalb des Lagertores ohne ersichtlichen Grund die Mütze vom Kopf, schleuderte sie weit weg und befahl dem Häftling die Mütze zu holen …“ | Anton Potocki |
16) | „Büttner, Walter, deutscher Staatsangehöriger, geb. 1901, Arbeiter, Witwer, kinderlos. Büttner ist nicht ermordet worden, sondern hat Selbstmord begangen. …“ | Walter Büttner |
17) | „Krausch, Willy, holländischer Staatsbürger, 40 Jahre alt, Bergmann (Fremdarbeiter) in Gelsenkirchen, ledig, kinderlos, evangelisch, … aus dem 1. Schlafraum der Baracke von Block 2 geholt …“ | Willy Krausch |
18) | „Baranov, Alex, geb. 24.8.1910 zu Kiew, Beruf: Schlosser, Stand: ledig, Kinder: keine. Am 7.6.1944 … habe ich die Leiche des auf der Flucht erschossenen Häftlings … besichtigt. …. Die Leiche weist 14 Schussverletzungen auf. …“ | Alex Baranov |
19) | „Smirnow, Iwan, Arzt, keine Personalien. Am 7.6.1944 … habe ich die Leiche des auf der Flucht erschossenen Häftlings … besichtigt. …. Die Leiche weist 4 Schussverletzungen auf. … 1. Einschussöffnung … in der Mitte der Stirn …“ | Iwan Smirnow |
20) | Flucht aus Halle 9, die detaillierte Vorgeschichte zu den Morden anAlex Baranov (Prot. 18) und Iwan Smirnow (Prot. 19) und sieben weiteren Häftlingen. (pdf mit 13 Seiten, ca. 900k) „Am 5. Juni 1944 bemerkte der Capo Erich Pfeiffer das Fehlen von zwei russischen Transportarbeitern, und zwar des 34-jährigen Schlossers Alexander Baranow und des Arztes Iwan Smirnow. Unter dem Kommando des Oberfeldwebels Otto Schrader durchsuchten die Luftwaffensoldaten erfolglos die Halle. Die alarmierten SS-Hundeführer stürzten in die Halle und schlugen rücksichtslos auf die Gefangenen ein. Sie erschlugen 7 Häftlinge und verletzten 21 weitere zum Teil schwer. …“ | Flucht aus Halle 9 |
*Hinweis zu den Protokollen: Von den US-Militärgerichten wurden nach dem Krieg in den „Dachauer Prozessen“ nur jene Morde gerichtlich geahndet, die den Holocaust (den Völkermord an den Juden) oder KZ-Häftlinge betrafen, die NICHT deutsche oder österreichische Staatsbürger waren.
Willkürliche Morde der Wachmannschaften an deutschen und österreichischen Häftlingen, wie sie z. B. im KZ Guntramsdorf/Wiener Neudorf (wie von Busch-Waldeck oben beschrieben) in großer Zahl stattfanden, fielen nach dem Krieg nicht in die Kompetenz der alliierten Gerichte sondern in die Zuständigkeit der deutschen bzw. österreichischen Gerichte, da es sich bei Verbrechen gegen eigene Staatsbürger, nicht um Kriegsverbrechen im rechtlichen Sinne handelte.
In diesem Zusammenhang sind auch die heute teilweise missverständlichen Anmerkungen am Ende einiger der oben genannten Protokolle Busch-Waldecks, wie z.B. „nicht verhandelt, weil kein Jude“, „nicht verhandelt, weil österreichischer/deutscher Staatsbürger“, zu verstehen. Er bezieht sich damit auf die Ergebnisse der so genannten „Wiener Neudorfer Prozesse“ (sieheProzesse) in Dachau.
Zeitzeugen
Zeitzeugen-Berichte aus Guntramsdorf
Bericht von Frau Friederike Dobner (erstellt 1995)
„Das Flugmotorenwerk befand sich am Gelände des heutigen Industriezentrums, von der Triesterstraße bis Richtung Laxenburg und bis zur heutigen Autobahn. Nebst allen Nebengebäuden und Bürogebäuden sowie 18 Hallen, in denen Frauen ohne Kinder dienstverpflichtet waren. Es waren ungefähr 18.000 Personen, es können aber auch mehr gewesen sein. Es gab Werksküchen und sanitäre Räume mit Duschgelegenheit.
Ich war Halbtags beschäftigt. Wir hatten Schrauben für die Flugzeugerzeugung zu vermessen. Es wurde uns gesagt, man müßte genau arbeiten, da das Leben der Piloten davon abhängen könnte. Die Frauen kamen aus der ganzen Umgebung, auch von Wien.
Da die Männer immer wieder zum Militär geholt wurden, kamen alle möglichen Hilfswilligen oder Kriegsgefangene, später auch Soldaten aus dem Lazarett Laxenburg, zum Einsatz. Nachdem auch diese wieder einrücken mußten, kamen KZler. Am Ende des Werksgeländes wurde ein KZ-Lager eingerichtet. Am Morgen wurden diese Menschen zur Arbeit gebracht.
Sie hatten keine Schuhe, nur Holzpantoffeln, damit sie nicht laufen konnten. Bewacht wurde mit SS-Soldaten, mit Bluthunden, die ganz gerne bissen, wenn sie dazu angefeuert wurden …
Die Menschen waren halb verhungert. Beaufsichtigt wurden sie von Capos, diese waren sehr unangenehm. Sie trugen verschiedenfarbige Streifen auf der Brust. Man kannte bald, welche politische Häftlinge waren. Die Capos aber waren Verbrecher oder auch Mörder …
Nachdem wir bald darauf kamen, daß die armen Teufel Hunger hatten, haben wir angebissenes Brot oder Obst in die Papierkörbe geworfen; man hat sie länger angeschaut und diese Menschen nahmen das Brot heraus und aßen es gleich auf. Die Capos aber waren auch gierig auf das Brot. Es war ein gefährliches Unternehmen auch für uns, was auch böse Folgen haben konnte. (Straflager in Maria Lanzendorf)
Bei Fliegeralarm wurden zuerst die KZler weggebracht, auf den Eichkogel, und erst bei Kuckucksruf durften wir weggehen.
Nach den Bombenangriff auf Guntramsdorf 1944 wurden alle Frauen entlassen und in anderen Betrieben untergebracht.
Ich kam nebst anderen Frauen zur Firma Klinger nach Gumpoldskirchen. Auch hier dasselbe „Spiel“ … Hilfswillige, Kriegsgefangene, Franzosen, Italiener mußten hier bis Ostern 1945 arbeiten. Erst bei Tag und später bei Nacht. Bei Fliegeralarm wurden zuerst die Gefangenen und dann erst die Frauen in den Luftschutzkeller gebracht. Die Keller aber waren meist so überfüllt, so daß wir in den Wald gingen, bis wieder Entwarnung gegeben wurde. Nachher hieß es: Zurück zur Arbeit!
Rund um das Flugmotorenwerk gab es Fliegerabwehrstellen, auch bei uns am Ende der Birkengasse war eine Batterie. Am Eichkogel kann man heute noch die Anlage sehen. Beim KZ waren die Kanonen eingegraben. (Abwehrkanonen mit Streifen der abgeschossenen Feindflieger …)
Am Anfang der Angriffe wurde vernebelt, deshalb wurde auch Guntramsdorf bombardiert. Die Druckfabrik hatte einen hohen Rauchfang und so nahm man an, daß hier das FO Werk begann. Nach dem Angriff mit vielen Toten und zerstörten Sachwerten wurden unsere Häuser samt Dächern schwarz gestrichen. Es nützte nicht viel, das Ende kam mit Schrecken.“
Erinnerungen von Karl Baumgartner (erstellt 1995)
„Vis-a-vis von meinem Elternhaus hatte eine jüdische Familie ein kleines Textilgeschäft. Herr Glaser Max, so hieß der Textilhändler, war täglich bei uns. Mit meinem Vater war er per Du. In den letzten Märztagen 1938 wurde Glaser mit Frau und zwei Kindern ins KZ gesteckt. Man hörte nie mehr etwas von ihnen. Mein Vater sagte: „Das hätte ich nicht gedacht, daß sie den nicht reichen Max umbringen.“
1938 wurde das heutige Neu Guntramsdorf gebaut mit dem Namen „Holzwebersiedlung“, benannt nach dem Dollfußmörder Holzweber. Es sollte eine Gartenstadt für alte Kämpfer werden (solche Kämpfer wie Holzweber).
Nach Kriegsbeginn wurde auf dem heutigen Industriezentrum-Süd ein Flugmotorenwerk errichtet. Um das Werk herum wurden fünf Barackenlager für Arbeiter errichtet. Daß dies keine freiwilligen Arbeiter waren, lag auf der Hand. Ein Lager für Kriegsgefangene, Russen, Franzosen und Zwangsarbeiter. In den späteren Jahren wurde ein Lager eine Außenstelle von Mauthausen.
Wie die Menschen, die einer anderen Ansicht oder Juden waren, behandelt wurden, habe ich selbst erlebt. Im Winter 1944/45 fuhr ich des öfteren, wenn ein Kutscher ausfiel, mit den Pferden zum Fuhrwerken in das 5er Lager (das war beim Friedhof), KZler mußten für das Barackenlager Grundfestungen ausheben. Maschinen gab es damals nicht. Bei der Essensausgabe, die ein Capo ausgab (Capo war auch ein KZler, meistens ein Krimineller, so eine Art Vorarbeiter) sah ich einmal, wie sich ein KZler vordrängte. Der Capo schlug mit einem eisernen Schöpfer auf seinen Kopf, daß das Blut spritzte. Mit dem blutigen Schöpfer ging die Essensausgabe weiter.
Einige Tage später war ich wieder im 5er-Lager. Zwei KZ Wächter machten sich ein Feuer zum Wärmen. Der eine Wächter schickte einen KZler zum Holzholen. Der andere schoß ihn wie einen Hasen nieder. Wie ich später hörte, gaben die Wächter an, er wollte fliehen.
Zu dieser Zeit kam man schneller ins KZ als man denken konnte. Wo heute das Rasthaus Hiksch auf der B17 ist, führten KZler bei der Badner-Bahn Gleisarbeiten durch. Eine Frau aus den nebenliegenden Häusern brachte den KZlern heimlich Brot. Irgend jemand sah dies, zeigte sie an und sie kam ins KZ.
Wer damals körperlich oder geistig behindert war – ich kannte etliche Guntramsdorfer, sogar ein Onkel von mir, er fiel als Kind vom Dachboden und hatte einen Höcker, also auch arbeitsunfähig – solche Personen waren nichts wert zu dieser Zeit. Sie wurden abgeholt, es hieß zur Behandlung. Nach etlichen Wochen kam ein Schreiben: „An Lungenentzündung gestorben. Wenn Sie die Urne wollen, zahlen Sie RM 50,- ein.“
Diese Zeit sollte nie in Vergessenheit geraten!
Vor 20 Jahren hätte ich noch gesagt, diese Zeit wird es nie wieder geben, heute bin ich durch das politische Geschehen nicht mehr so sicher.“
Todesmarsch
Der Todesmarsch
Der Lagerarzt des KZ-Nebenlagers Guntramsdorf/Wiener Neudorf, Dr. Rolf Busch-Waldeck, – er war selbst Häftling – hat neben unzähligen Leichenbeschauen auch den 13-tägigen Todesmarsch der Häftlinge nach Mauthausen akribisch protokolliert. Er schmuggelte seine Aufzeichnungen in seiner Medikamentenkiste und übergab alle Unterlagen zu Kriegsende den US-Truppen.
Seine Aufzeichnungen wurden so die Grundlage für zahlreiche Verurteilungen und halfen nach dem Krieg mit die Morde an über 200 Personen aufzuklären.
Heute sind sie eine der wenigen erhaltenen Aufzeichnungen direkt aus und über das KZ-Nebenlager in Guntramsdorf/Wiener Neudorf. Waldecks Aufzeichnungen geben uns Einblick in den schrecklichen Lageralltag und sind ein unauslöschlicher Beleg für die Gräuel der NS-Zeit.
Hier finden Sie Originalabschriften und Scans von Busch-Waldecks tagebuchartigen Marschprotokollen. Sie stammen aus dem Archiv des Mauthausen-Memorial des Bundesministeriums für Inneres.
Die Original-Aufzeichnungen des Lagerarztes über den 13-tägigen Todesmarsch:
Auszug aus den Erinnerungen des Lagerarztes | Original .pdf zum Todesmarsch | |
Montag, 2. April 1945 | „Der Todesmarsch hat begonnen. Jeder Häftling trägt seine zwei Decken, zwei Brote und zwei Konservendosen in den Händen. Wir vom Revier tragen außerdem noch die Sanitätstaschen. Das ist sehr lästig und ermüdet sehr. Hinter uns stapfen fluchend die Häftlinge mit der Medikamentenkiste. Die Kiste ist viel zu schwer. In den Straßen von Mödling ist noch alles leer. Kaum das wir einem Menschen begegnen. Es ist Ostermontag, wahrscheinlich schlagen noch alle. Wir biegen rechts ab und sind bald auf einer gepflegten Straße, links dehnen sich Felder, rechts ist Wald. Neben mir der Soldat zieht seine Uhr. „Achte ist’s“ sagt er, da peitscht vorne ein Schuss ….“ | 1. Marschtag |
Dienstag, 3. April 1945 | „Beim Morgenappell vor dem Weitermarsch stellt die SS fest, dass in der Nacht ein Luftwaffensoldat und vier Häftlinge geflüchtet sind. An diesem zweiten Marschtag mehrten sich die Fälle von Durchfallerkrankungen. Unser Vorrat an Kohletabletten und Tannalbin war bald erschöpft, doch verschafften der STG Ullmann und der SS-Fourier Raasch reichlich Ersatz. Die Durchfallerscheinungen schwächten natürlich die Häftlinge sehr, und es kam wieder zu sehr vielen Erschießungen, die ich z. T. selbst gesehen habe. …“ | 2. Marschtag |
Mittwoch, 4. April 1945 | „In der Nacht sind wieder einige Häftlinge geflüchtet, darunter einer, den die SS in Uniform gesteckt hatte. Die SS veranstaltet keine Suchaktion, sie rächt sich auch nicht an den übrigen Häftlingen. Bei der SS muss man immer auf Überraschungen gefasst sein. Der heutige Marschtag brachte uns ein derartiges unbegreifliches Erlebnis. Es war am Nachtmittag, die SS hatte wieder unermüdlich Häftlinge abgeknallt, Tote säumten den Wegrand. …“ | 3. Marschtag |
Donnerstag, 5. April 1945 | „Bisher sind 97 Kameraden erschossen worden, 34 Kameraden sind geflüchtet. Bis Mauthausen ist es noch weit, wir marschieren unendlich langsam, kreuz und quer durch das Gelände. …“ | 4. Marschtag |
Freitag, 6. April 1945 | „Heute haben wir die Donau überquert, auf einer großen Fähre, die immer hinüber und herüber fuhr, bis der letzte Häftling am anderen Ufer war. Nicht alle kamen drüben an, der Blockführer Kaldun stieß drei Kameraden von Fähre ins Wasser. Kaldun sagte: „Die wollten schwimmen lernen.“ ….“ | 5. Marschtag |
Samstag, 7. April 1945 | „Heute hatte wir weniger Tote. Die Qualitätsauslese hat stattgefunden. Die körperlich schwachen Häftlinge sind inzwischen abgeschossen worden. Was jetzt noch da ist, müsste nach menschlichem Ermessen den Marsch überstehen können. Es hängt natürlich alles von der Beschaffenheit des Schuhwerks und den Launen der Bewachungsmannschaften ab, und davon, ob hinreichende Verpflegung angeliefert wird. ….“ | 6. Marschtag |
Sonntag, 8. April 1945 | „Träge schleppt sich unser Zug dahin. Die Begeisterung für Schmutzler ist verflogen. Der FOW*-Direktor Taavs ist nicht mehr bei uns. …“ (*Flugmotorenwerke Ostmark) | 7. Marschtag |
Montag, 9. April 1945 | „HauptmannStier ist verschwunden, – geflüchtet! Vormittags hat er noch zwei Häftlinge erschiessen lassen, dann gab er sein Fahrrad einem Soldaten in Aufbewahrung, kletterte in das Führerhaus des kleinen LKW und setzte sich neben den Fahrer. Der Wagen bog dann plötzlich rechts ab. …“ | 8. Marschtag |
Dienstag, 10. April 1945 | „Hunger! Seit vorgestern Mittag haben wir nichts mehr gegessen. Träge, müden und hungrig wälzt sich die Kolonne vorwärts. …“ | 9. Marschtag |
Mittwoch, 11. April 1945 | „Der österreichische Blockschreiber Viktor Roy, der jetzt in Luftwaffenuniform neben mir geht, sagt: „Jetzt sind wir bald in Mauthausen. Aber ich werde vorher abhauen…“ | 10. Marschtag |
Donnerstag, 12. April 1945 | „Heute sahen wir auf der gegenüber liegenden Seite des Tales einen langen Zug anderer KZler marschieren, sahen, wie dort wie dort Häftlinge erschossen oder erschlagen wurden. …“ | 11. Marschtag |
Freitag, 13. April 1945 | „Morgen sind wir in Mauthausen! Wir könnten schon heute dort sein, aber Schmutzler will oder soll erst morgen in den Vormittagsstunden einmarschieren. Deshalb müssen noch einmal, knapp eine Stunde vom Lager entfernt im Freien übernachten. Wir haben den Rastplatz schon vor 14 Uhr bezogen. …“ | 12. Marschtag |
Samstag, 14. April 1945 | „Als ich fröstelnd erwache, graut schon der Morgen. Ich setze mich auf und hauche in die klammen Hände, reibe mir die Arme und Beine. Sobecki und Lazar schlafen noch fest. Über der Wiese liegt silbrig schimmernder Nebel. …“ | 13. und letzter Marschtag |
Prozesse
Die „Wiener Neudorfer Prozesse“ in Dachau / Aufarbeitung der NS-Vergangenheit
Die wichtigsten Gerichtsverfahren wegen der KZ Mauthausen und den Außenlagern wie Guntramsdorf/Wiener Neudorf verübten Verbrechen fanden vor einem amerikanischen bzw. alliierten Militärgericht auf dem Gelände des ehemaligen KZ Dachau statt.
Im Dachauer Hauptprozess gegen 61 Angeklagte (darunter 42 Deutsche und 12 Österreicher), durchgeführt von März bis Mai 1946, wurden 58 Angeklagte zum Tode und die übrigen drei zu lebenslang verurteilt. 49 Todesurteile wurden tatsächlich vollstreckt.
Zu den Vorfällen im KZ Guntramsdorf/Wiener Neudorf gab es nach dem Hauptprozess zwei gesonderte Folgeprozesse in Dachau und einen weiteren in Warschau, der bereits von einem unabhängigen polnischen Gerichten durchgeführt wurde. Der Wr. Neudorfer Lagerarzt Busch-Waldeck trat bei diesen drei Prozessen als Zeuge bzw. Gutachter auf.
Der so genannte „Wiener Neudorfer Kriegsverbrecherprozeß“ in Dachau dauerte vom 17. April 1947 bis 24. Juni 1947. Dabei wurde insgesamt gegen 11 Mitglieder der SS-Wächter und der Luftwaffenbewachungsmannschaft aus Guntramsdorf / Wiener Neudorf verhandelt.Zum Tode verurteilt und in Landsberg hingerichtet wurden:
- SS-Hauptsturmführer Schmutzler
- Hauptmann Stier
- SS-Blockführer Thunke
- SS-Blockführer Höllriegel
Hauptmann Stier war beim so genannten Evakuierungsmarsch (siehe Protokoll Todesmarsch, 8. Marschtag) mit den Dokumenten der Lagerschreibstube und der Lagerkasse geflohen und hatte sich nach dem Krieg, als ehemaliger KZ-Häftling Moritz Heilbronner getarnt, eine Existenz als Studienrat an einer Münchner Schule erschlichen.
Der ehemalige Capo Peter Fruth war selbst nach dem Krieg noch höchst aktiv, um belastende Materialien gegen ihn und SS-Kameraden verschwinden zu lassen. Er gab sich als ehemaliger KZ-Häftling aus und schlich sich bei der Zentrale der US-Ermittlungsstelle für Kriegsverbrechen in Salzburg (War Crimes Investigating Team 6836 – WCIT) unter gefälschter Identität als Mitarbeiter ein. Dort vernichtete er eine große Anzahl von eingehenden, belastenden Dokumenten gegen ihn und andere Mörder aus Guntramsdorf/Wiener Neudorf. Busch-Waldeck enttarnte den Capo durch Zufall bei einem Besuch beim WCIT, nachdem seine an das Ermittlungsteam gesandten Unterlagen „am Postweg“ verschwanden. Danach fand Busch-Waldeck auch Hauptmann Stier in München.
Der SS-Blockführer Lehnert konnte aus dem Wiener Gefangenenhaus fliehen und in Polen untertauchen. Dort wurde er jedoch verhaftet, zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Vor seiner eigenen Verurteilung und Hinrichtung erlangte der relativ unbedeutende, aber besonders grausame Wr. Neudorfer Blockführer Alois Höllriegel kurzzeitig Berühmtheit. Denn er trat im November 1945 unter großem Medieninteresse vor dem Internationalen Militärgerichtshof im ersten Nürnberger Prozess als Zeuge der Anklage auf. Er sagte im Verfahren gegen den Wiener Gauleiter Baldur von Schirach und den Leiter des Sicherheitsdienstes (SD) Ernst Kaltenbrunner aus. Als ehemaliger Wachmann im KZ Mauthausen, bestätigte Höllriegel die Existenz der Gaskammern sowie persönliche Inspektions-Besuche von von Schirach und Kaltenbrunner im KZ und den Gaskammern. Höllriegels Aussagen erregten damals großes Aufsehen und haben zur Verurteilung von Kaltenbrunner (Todesurteil) und von von Schirach (20 Jahre) wesentlich beigetragen.
Unverbesserliche Revisionisten behaupten bis heute – es gibt zahlreiche Webseiten dazu –, dass Höllriegels Aussage von damals der Anklage erpresst wurde und daher nicht der Wahrheit entsprach. Wenn auch nicht über die Existenz der Gaskammern, gelogen hat Höllriegel in Nürnberg jedenfalls. Er gab bei den Verhören an, von 1942 bis zum Kriegsende im Innendienst im KZ Mauthausen als einfacher Wachmann tätig gewesen zu sein. So versuchte er wahrscheinlich seine Morde im KZ-Nebenlager Guntramsdorf / Wiener Neudorf zu vertuschen. Für diese Taten wurde er jedoch nur eineinhalb Jahre später, in den bereits erwähnten „Dachauer Prozessen“, aufgrund der Aussagen von Häftlingen aus dem KZ Guntramsdorf / Wiener Neudorf zur Rechenschaft gezogen.
Anfang der 1990er-Jahre fand im Landesgericht Duisburg ein Prozess gegen die im KZ Guntramsdorf / Wr. Neudorf tätigen SS-Hundeführer Bruno Blach und Dominik Gleba statt. Der österreichische Forscher und Universitätsdozent Bertrand Perz trat bei diesem Prozess, der sich ebenfalls zu einem Teil auf Unterlagen Busch-Waldecks stützte, als Gutachter auf.
Der gebürtige Pole Dominik Gleba war 1947 aus US-Kriegsgefangenschaft geflohen und hatte bis zu seiner Frühpensionierung 1981 bei der Ruhr-Chemie gearbeitet.
Der Sudetendeutsche Bruno Blach war 1956 als einfacher Wehrmachtsangehöriger getarnt in die USA emigriert. Er arbeitete bis zu seiner Pensionierung in einem Supermarkt in La Habra, Kalifornien. Er wurde 1990 wegen seiner früheren SS-Mitgliedschaft nach Deutschland ausgewiesen. 1993 wurde Gleba wegen Beihilfe zum Mord zu zwei Jahren bedingter Haft verurteilt (begangen beim „Evakuierungsmarsch“ an einem nicht mehr gehfähigen Häftling). Bruno Blach wurde im gleichen Prozeß jedoch „aus Mangel an Beweisen“ freigesprochen.
In Österreich wären die beiden nicht angeklagt worden, wie mehrer Beispiele von aus den USA zurück nach Österreich ausgewiesenen SS-Angehörigen zeigen.
Österreich: Nur fünf Prozesse zum KZ Guntramsdorf/Wiener Neudorf
Viele der auch in den Waldeck-Protokollen beschriebenen Morde an Österreichern und Deutschen im KZ Guntramsdorf/Wiener Neudorf wurden nicht direkt gerichtlich geahndet sondern in den „Dachauer Prozessen“ der Alliierten nur inoffiziell „mitverhandelt“. In Österreich und Deutschland, in deren Kompetenz die Verfolgung dieser Verbrechen an eigenen Staatsbürgern fiel, gab es trotz der umfangreichen Beweisunterlagen nur wenige Prozesse in Zusammenhang mit dem Morden im KZ Guntramsdorf / Wiener Neudorf.

1957 getilgtes Urteil eines österreichischen Kriegsverbrechers
Quelle: nachkriegsjustiz.at
Laut Website des österreichischen Mauthausen Memorials hat es bis heute bei österreichischen Gerichten insgesamt fünf Prozesse (4 LG Wien, 1 LG Linz) in Zusammenhang mit den über 200 Morden im KZ-Außenlager Guntramsdorf / Wiener Neudorf gegeben. Selbst von diesen fünf Verfahren gab es nur in drei Fällen tatsächlich ein Urteil, zwei der Verfahren wurden eingestellt. Informationen zu diesen und anderen NS-Prozessen in Österreich hat die „Forschungsstelle Nachkriegsjustiz“ in einem pdf-File zusammengefasst:

MangelndeAufarbeitung der NS-Vergangenheit
Die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit Österreichs erfolgte nach dem Krieg generell nur sehr lückenhaft und widerwillig. Insgesamt fanden in Österreich seit 1955 – obwohl zwischen 4.000 und 5.000 Verfahren wegen NS-Verbrechen eingeleitet wurden – tatsächlich nur 35 NS-Prozesse statt. Lediglich 20 Personen wurden verurteilt. (Quelle: 2005.orf.at)
In manchen Fällen haben österreichische Geschworenengerichte selbst geständige (!) NS-Verbrecher freigesprochen. Mit einem solchen Freispruch des wegen Verbrechen im KZ Mauthausen angeklagten Johann Vinzenz Gogl am 2. Dezember 1975 endeten de facto die österreichische NS-Prozesse. Danach stellte das Justizministerium die noch laufenden Verfahren ein – manche Experten meinen, um weitere Freisprüche, die das Ansehen Österreichs schädigten, zu vermeiden.
Lange Zeit wollte nicht nur die Mehrheit der Bevölkerung sondern auch das offizielle Österreich den Mythos aufrecht erhalten, dass Österreich das erste Opfer des Nationalsozialismus war, mehr nicht. Es ist mittlerweile bekannt, dass viele Österreicher aktiv und besonders „engagiert“ an Kriegsverbrechen und dem Holocaust beteiligt waren oder davon direkt profitiert haben.
Nach dem Krieg blieben die meisten von ihnen in Österreich nicht nur gerichtlich unbehelligt, viele Größen der NS-Zeit machten – oft mit Unterstützung der öffentlichen Hand und der politischen Parteien – später sogar außergewöhnliche Karrieren.
Ein sehr bekanntes Beispiel ist jenes des NS-Arztes Heinrich Gross. Er war als Arzt an der Ermordung von hunderten Kindern in der NS-Euthanasieklinik „Am Spiegelgrund“ in Wien beteiligt. Während seine Kollegen vom Spiegelgrund unmittelbar nach dem Krieg zum Tod oder zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, war Gross damals in Kriegsgefangenschaft und für die Gerichte nicht greifbar. Als Gross wieder in Österreich war, wurden gegen ihn im Laufe von fünf Jahrzehnten mehrere Prozesse, die von überlebenden Spiegelgrund-Opfern angestrengt wurden, aus fadenscheinigen Gründen eingestellt. Statt einer Verurteilung wegen vielfachen Mordes und unzähligen Misshandlungen, wurde Gross mehrfach von der Republik Österreich ausgezeichnet. Er war jahrzehntelang als Wissenschaftler und viel beschäftigter Gerichtsgutachter tätig.
Gross forschte auch nach dem Krieg weiter an den in Formalin eingelegten Gehirnen seiner Mordopfer aus der NS-Zeit und publizierte und dozierte dazu ungeniert, bis es aus der Ärzteschaft 1979 (!) erstmals Proteste dagegen gab.
(Dr. Werner Vogt: „Sprechen Sie nicht über ‚Tötungsdelikte VON geistig Behinderten‘ sondern über ‚Tötungsdelikte AN geistig Behinderten‘ – darüber können Sie ja aus eigener Erfahrung berichten.“ Gross klagte Vogt darauf, dieser wurde jedoch freigesprochen, weil die „Anschuldigungen gegen Gross berechtigt seinen“, so der Richter damals.)
Erst 1981 wurde Gross aus der SPÖ – die ihn jahrzehntelang unterstützt hat – ausgeschlossen. Noch bis 1998 war Gross weiterhin als Gerichtsgutachter tätig. Im Jahr 2003 wurde ihm, nachdem wieder ein Prozess gegen ihn eingestellt wurde – diesmal wegen angeblich fortschreitender Demenz, die er nach der Verfahrenseinstellung lakonisch kommentierte –, auch das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst durch die Bundesregierung aberkannt (siehe Artikel aus „Bizeps“). Gross starb im Dezember 2005 im Alter von 90 Jahren, ohne für seine Morde an zahlreichen unschuldigen Kindern verurteilt worden zu sein.
Auch einige Personen aus dem Umfeld des KZ Guntramsdorf / Wr. Neudorf, die an der Ausbeutung der KZ-Häflinge und Zwangsarbeiter direkt beteiligt waren, machten nach dem Krieg in der 2. Republik Karriere, anstatt für ihre Taten zur Verantwortung gezogen zu werden.
Ein Beispiel dafür ist die außergewöhnliche Laufbahn von Dipl. Ing.Walter Hitzinger (gest. 26. 7. 1975). Hitzinger war ab 1943, also ab dem Zeitpunkt der Errichtung des Konzentrationslagers vor Ort, Vorstandsmitglied der Flugmotorenwerke Ostmark in Wiener Neudorf (FOW). Sein Vorstandskollege Georg Meindl, der das KZ beim Reichsführer-SS Himmler quasi „bestellte“, beging zu Kriegsende Selbstmord am Werksgelände (Anm.: von der Roten Armee bezweifelt, da die verbrannte Leiche nicht identifiziert werden konnte).
Walter Hitzinger arbeitet zuerst weiter als Manager für die eigentlichen Betreiber der Flugmotorenwerke, Steyr-Daimler-Puch, und gründete zusätzlich ein u. a. auf Luftfahrt-Equipment spezialisiertes, eigenes Unternehmen (www.hitzinger.at).
Er verschwieg seine Führungsrolle in der NS-Rüstungsindustrie und bei den Flugmotorenwerken Ostmark in seinem Lebenslauf nie. Hitzinger machte trotzdem, mit Unterstützung der politischen Entscheidungsträger, eine große Karriere und erhielt zahlreiche Auszeichnungen (Senator H.C., Baurat H.C. etc.). 1952 wurde Hitzinger zum Generaldirektor des damals bedeutendsten verstaatlichen Unternehmens,der VÖEST, ernannt. Von 1961 bis 1966 schloss sich der Kreis seiner beruflichen Laufbahn. Er wurde Vorstandsvorsitzender eines er größten deutschen Unternehmen, der Daimler-Benz AG in Stuttgart – übrigens ein Unternehmen, dass in der NS-Zeit direkt an den Flugmotorenwerken Ostmark beteiligt war.
Heute
Das Lagergelände heute / Die Gedenkarbeit
Bis in die frühen 1990iger-Jahre war das KZ-Nebenlager Guntramsdorf/Wr. Neudorf abseits von Expertenkreisen beinahe in Vergessenheit geraten. Sogar in der lokalen Bevölkerung ging das Wissen über die tatsächliche Geschichte des Lagergeländes verloren.
Seit den frühen 1960er-Jahren wurde das riesige Gelände der ehemaligen „Flugmotorenwerke Ost“ vom Land Niederösterreich als „Industriezentrum NÖ/Süd“ (mit der Verwertungs- und Betriebsgesellschaft EcoPlus) erschlossen und ist heute fast durchgehend mit gewerblich genutzten Gebäuden bebaut.
Ein großer Teil (ca. 2 Hektar)deseigentlichen KZ-Geländes ist jedoch bis heute unverbaut – Grundmauern der Lagerbaracken und einzelne, kleinere Bunkeranlagen (z.B. so genannte „Einmannbunker“) sind noch erhalten.


Ein großer Teil des ehemaligen KZ-Geländes ist bis heute unverbaut. Die Grundmauern und die Lagerstraße sind gut erkennbar.
Quelle: Satelliten-Foto, Google Earth
Die Gedenkarbeit
Ab 1994 setzten sich engagierte Personen aus Guntramsdorf und Umgebung unter der Leitung der Pfarre Neu-Guntramsdorf für die Aufarbeitung der Geschichte des KZ-Nebenlagers und die Errichtung einer Gedenkstätte am Gelände des ehemaligen Lagers ein.


1995 konnte diese Gedenkstätte mit Unterstützung der EcoPlus, des Lehrbauhofes Ost (heute Bauakademie Wien) und des Guntramsdorfer Künstlers Rainer Maria Weihs errichtet werden. Die Marktgemeinde Guntramsdorf gestaltete und pflegt das direkte Umfeld der Gedenkstätte gärtnerisch. Seither finden dort jährlich von der Pfarre Neu-Guntramsdorf organisierte Gedenkfeiern statt.
Eine mittlerweile in die Jahre gekommene Informationsbroschüre, wurde ebenfalls 1995 aufgelegt und soll nun vom Gedenkverein neu erstellt werden bzw. mit dieser Website eine Erweiterung finden.
Heute ist das Gelände des KZ-Nebenlagers eingezäunt und für die Öffentlichkeit derzeit nicht zugänglich. Nur eine Herde Schafe nützt es mittlerweile seit Jahren als Weidefläche. Sie sorgt so dafür, dass im wahrsten Sinne des Wortes, „kein Gras“ über die traurige Geschichte dieses Grundstückes wächst.
Im Jahr 2005 hat sich der unabhängige Gedenkverein formiert, um die Erhaltung und den Ausbau der Gedenkstelle sowie die weitere wissenschaftliche Erforschung und die Erstellungen von Lehrmaterialien sicherzustellen.
Bereits bei der Gründungsversammlung im Oktober 2005 verfügte der Verein über 40 Mitglieder, darunter neben zahlreichen engagierten Einzelpersonen, viele Guntramsdorfer Gemeinderatsmitglieder sowie Vertreter von Kirchen und Bildungseinrichtungen.
Die Gemeinde Guntramsdorf und auch die lokalen Wirtschaftstreibenden (IGW) haben zugesagt, die Ziele und die Arbeit des Vereins zu unterstützen.
Ein wesentliches, wenn auch langfristiges Ziel des Gedenkvereines ist es, das Gelände des ehemaligen KZ für die Nachwelt zu erhalten und im Sinne eines Lehrpfades, der Öffentlichkeit und vor allem Schülern und Schülerinnen im Rahmen des Unterrichts zugänglich zu machen.